Das grösste und attraktivste Motorsportspektakel der Welt findet jeweils auf dem Privatgrundbesitz des Earl of March in Goodwood statt. F1-Weltmeister Jenson Button und F1-exWeltmeister Lewis Hamilton liessen es kräftig krachen mit ihren Formel 1 Boliden. Da nahmen es die früheren Cracks Sir Stirling Moss, John Surtees, Jacky Stewart, Jacky Olivier, Derek Bell, Jochen Mass, Emerson Fittipaldi, Mika Häkkinen, Giacomo Agostini, Kewin Schwantz etc. schon etwas gemächlicher, aber nicht weniger spektakulär.
Von den Teilnehmern aus aller Welt, den präsentierten historischen und aktuellen Rennfahrzeugen, von der ellenlangen Gästeliste und dem rekordverdächtigen Publikumsaufmarsch (176’000 Zuschauer) her gesehen, ist dieses Welt-Motorsportmosaik sicher das besuchswerteste aller Superevents auf diesem Globus.
Aufgrund der persönlichen Einladung durch den Gastgeber, Autoenthusiast Lord March, konnten wir nicht Nein sagen und meldeten uns bereits im Januar zum Grossereignis an. Eine eigens geschaffene Motorsportkommission und Jury des englischen Motorsportverbandes trifft die Wahl über Ein- oder Ausladung. Mit unserem Siegerauto des ITC-Rennens in Silverstone 1996: Alfa Romeo 155 TI 2500 V6 ex Gabriele Tarquini (4×4, 490 PS, 12800U/min, 1060kg) hatten wir glücklicherweise zwei Trümpfe in der Hand. Einerseits das Festival als Teilnehmer überhaupt mitfeiern zu dürfen und andererseits das Tourenwagen-Krönchen, für die ebenfalls gefeierte, erfolgreiche 100jährige Geschichte von Alfa Romeo, zu setzen.
Die Aufgabe, die Lord March den prominenten und enthusiastischen Teilnehmern stellt, ist alles andere als anspruchsvoll. Mit eben entsprechend stark motorisierten Rennwagen soll der Hill Climb in Bestzeit bezwungen werden. Pro Tag drängen sich über 50’000 Zuschauern an die kaum ernsthaft abgesicherte Strecke auf dem mächtigen Grundstück des Earl. Die Zuschauer kommen auf Tuchfühlung an ihre Stars heran, dürfen Benzin schnuppern, Reifenabrieb in sich aufsaugen und dort picknicken, wo sonst geputtet wird. Der Earl ruft und alle kommen. Die internationale Motorsportszene kommt in Scharen. Selbst die unnahbaren Formel 1-Verantwortlichen schicken Fahrer, Auto und Teams zum Schaulaufen in die Nähe von Chichester. Das Festival of Speed – Weekend ist im internationalen Kalender gesetzt, ganz egal ob der seichte Hügel in einem 40PS starken Mercedes Simplex oder einem 850PS starken NASCAR Rennwagen erklommen wird. Den meisten ist die Bestzeit ohnehin schnuppe. Man zeigt sich, lässt ordentlich Gummi auf der Piste und das Heck über die kaum vorhandenen Randsteine schwänzeln.
Ein Bummel durch die Boxengassen gleicht einer Zeitreise durch die Geschichte des Motorsports. Silberpfeile von Audi und Mercedes stehen neben DTM-Rennwagen, Mille Miglia-Rennern und den Veteranen der Konkurrenzfahrt London-Brighton. Man sieht Autos, mit denen vor 60 Jahren zum ersten Mal die Carrera Panamericana gefahren wurde, flaniert zwischen Nascar-Rennern und geschichtsträchtigen Rallyefahrzeugen bis zum heutigen WRC, trifft dann auf ehemalige LeMans-Siegerwagen und stolpert beinahe über aktuelle Formel 1-Boliden – sechs F1 Teams sind der Einladung des Grafen gefolgt.
Zu den Stammgästen in Goodwood gehören auch Auto-Enthusiasten wie der Pink Floyd-Schlagzeuger Nick Mason oder der Gitarrist Chris Rea. Passend dazu gab es in diesem Jahr die Sonderschau „Cars & Guitars“, in der 20 Autos aus berühmten Songs – von Janis Joplins‘ „Mercedes-Benz“ bis hin zu Bruce Springsteens „Pink Cadillac“ – zu sehen sind. Obendrein standen dort auch ein knappes Dutzend aussergewöhnlicher Autos von Stevie Vaughn, Eric Clapton oder Billie Gibbons, dem Gründer von ZZ Top.
Nebst uns waren folgende Schweizer mit besonderen, seltenen Fahrzeugen am Start:
Alberto Francioni auf Iso Grifo A3C exLeMans 1965, Klaus Fiedler auf Alfa Romeo 182 F1 und die beiden Concours-Teilnehmer Lukas Hüni mit Alfa Romeo 8C 2300 Touring Spider 1932 und einem exzellenten Lancia D24, Franco Lupi (Teamleiter S.H.R.T.) mit Alfa Romeo 8C 2300 Pininfarina Spider Cabriolet 1934.
Leider konnte unser Alfa Romeo 155 ITC, trotz spontaner Mithilfe von Ferrari F1 Elektronikern, nicht zum Aufheulen gebracht werden. Deshalb glänzte, dieser sonst über 300km/h schnelle Tourenwagen, als Showcar in der Reihe der Motorsportmeilensteine von Alfa Romeo. Dank einem Freund aus Augsburg kamen wir aber trotzdem zum Start am Hill Climb: Dieter Roschmann überliess uns sein top restauriertes und geschichtsträchtiges Rennfahrzeug des Typs Alfa Romeo 33 V8 LeMans Langheck und rundete damit unser Goodwood-Weekend mit einem Hight-light ab. Dieses uns spontan erwiesene Vertrauen wissen wir sehr zu schätzen und danken ihm noch einmal gebührlich für seine kameradschaftliche, einzigartige Geste.
Wir empfehlen allen Motorsportenthusiasten, ob 2- oder 4Rad, das FESTIVAL OF SPEED 2011 in Goodwood zu besuchen. Sie werden nirgendwo auf der Welt mehr wie auf Wolke sieben schweben und auch Tage, Wochen danach den Daheimgebliebenen zu versuchen, davon zu berichten.