Carrera-Weiss, Int. Leder Braun, Schiebedach, 6-Zyl.-Boxermotor, 4-Ventiler, 3746ccm, Vierradantrieb, Automatikgetriebe spez. «Tiptronic Porsche/RUF», BohrungxHub 102×76,4mm, Leistung 504kW (685PS) bei 7’000/min, max. Drehmoment 880Nm bei 3’500-4’000/min, V/max 354km/h, Optimierung des Steuergerätes, Sportluftfilter, Umbau der Abgasanlage mit 4 runden 76mm-Endrohren und Katalysatoren, zwei modifizierte KKK-Turbolader, Gasfluss-Zylinderköpfe, mit Titan-Pleuel und geschmiedeten Mahle-Kolben verfeinert, Hubraumerweiterung auf 3800ccm, spez. Kurbelwelle, spez. Getriebeölkühlung, Bremsen hi und vo innenbelüftete und gelochte Karbon-Keramik Scheiben.
Im Besitz der kunoschaer. – ClassicCarCollection seit 1. November 2021 mit original 3’860km.
Porsche 911 (997) Turbo Rt12S – Understatement
Auf den ersten Blick sieht dieser Carrera White Porsche 911 Turbo aus wie der übliche 997. Aber weit gefehlt und nicht nur, dass er mit der Fülle der Porsche Exklusiv-Optionsliste bestückt wurde, sein Motor erhielt auch noch die Zuwendung der Gurus bei Alois Ruf. Dieser 911 Turbo Rt12S ist ein selten schöner «Sleeper». Ein Einzelstück also!
«Lassen Sie mich Ihnen etwas über die sehr Reichen erzählen. Sie sind ganz verschieden von Ihnen und mir» Diese Zeilen aus F. Scott Fitzgeralds Kurzgeschichte «The Rich Boy» – kurz nach «Der grosse Gatsby» entstanden – wird oft zitiert und fiel uns sofort ein, als wir die Geschichte dieses höchst begehrenswerten Porsche 997 Turbo der ersten Generation erzählt bekamen, der kürzlich im Frühling 2021 im grossen Showroom der AUTO GALERIE BADER, bei exRennfahrer Steffi Bader im schweizerischen Lupfig/AG auftauchte. Schliesslich würde nur jemand, der tatsächlich «verschieden» ist, so ein Fahrzeug vom Werk direkt bestellen, die Optionsliste ausreizen und dann, ohne dieses ohnehin super schnelle Exemplar gefahren zu haben, das fertiggestellte Auto mit vereinbarter Werksabholung, zu den Porsche-Gurus bei RUF Automobile überführen lassen, um eine Reihe von technischen Upgrades durchführen zu lassen. Modifikationen also, die jeden Besitzer eines «normalen 997 Turbo», der sich zufälligerweise in derselben Fahrtrichtung bewegte, sich verzweifelt fragen lässt, ob er versehentlich den Rückwärtsgang eingelegt hat!
Es war allen Ernstes einer dieser Fälle von «Geld spielt keine Rolle», als der ursprüngliche ostasiatische Erstbesitzer dieses Autos beschloss, den ultimativen und wie immer zunächst absolut unauffälligen 911 Turbo Rt12S als «Sleeper» entwickeln zu lassen. Obwohl man hier fairerweise festhalten sollte, dass hier Stilgefühl und guter Geschmack nicht unter dem Vermögen, gerade unverschämt viel Geld auszugeben, gelitten haben.
Die Reise dieses Turbo in Richtung Einmaligkeit begann bei Porsche Exclusive, der Abteilung, sie seit 1986 selbst die verrücktesten Sonderwünsche dieser «sehr verschiedenen Kundschaft» erfüllt und jede Individualisierung realisiert. In diesem besonderen Fall bedeutete es, ein 997 Turbo-Interieur zu schaffen, wie es noch keines vorher gegeben hatte. Als einer der letzten 997 der ersten Baureihe, besass dieses Modell bereits vom Werk aus das Navigationssystem der zweiten Generation. Doch zur langen exklusiven Einkaufsliste des ostasiatischen Kunden zählten auch Spezialnähte, zusätzliches Leder, ein subtil verbreiterter Lenkradkranz, eine Fussstütze für den Fahrer sowie das umfassende Aluminium-Paket für den Innenraum – allein dadurch verteuerte sich der ursprüngliche Basispreis auf 180’000 Euro! Aussen kamen die meisten der Elemente ebenfalls in den Genuss der Lackierung in Carrera White, wobei ein Highlight die Kombination von lackierten und polierten Oberflächen bei den Fünf-Speichen-Rädern ist. Dadurch wirkt dieser Turbo ehr wohlwollend, brav als aggressiv – so wie eben ein 911, der mit einem gesetzten älteren Gentleman am Steuer auf der Autobahn mit gemächlichen 100 Stundenkilometer unterwegs ist.
Ein Vergleich, der spätestens dann nicht mehr angemessen ist, wenn man unter die Motorabdeckung schaut. Denn als Porsche Exclusive seinen Part erfüllt hatte, wurde der Elfer sofort zu RUF Automobile in Pfaffenhausen transportiert. Dort um ein 90’000 Euro teures technisches Upgrade zu erhalten, das der Rt12S-Spezifikation entsprach. Das bedeutete nichts anderes als den 3.6-Sechszylinder-Boxermotor komplett auseinanderzunehmen, um den Hubraum auf 3.8 zu erhöhen. Dann kamen geschmiedete Mahle-Kolben, Gasfluss-Zylinderköpfe, sonderangefertigte Nockenwellen und ein Paar KKK-Turbos an Stelle des serienmässigen VTG-Satzes. Daraus ergibt sich eine offizielle Leistungssteigerung von 685PS, also 25% mehr als beim Serienmodell, aber vermutlich noch näher an 750PS gemäss Alois Ruf. Ein massives Drehmoment von 880Nm bei 3’500 – 4’000 Umdrehungen und eine rote Linie, die bei 7’000 Umdrehungen überschritten wird. Daraus ergibt sich eine potenzielle Höchstgeschwindigkeit von rund 354 Stundenkilometer, die wiederum durch das sonderangefertigte und blitzschnelle Tiptronic-Getriebe erreicht werden.
Nach dem Aufwand der Bestellungen und dem geduldigen Warten dürfte man doch annehmen, dass der ursprüngliche Besteller dieser einzigartigen weissen Erscheinung es kaum aushalten würde, um endlich hinters Lenkrad zu sitzen und wie der Teufel loszubrausen. Aber weit gefehlt. Er fuhr damit nur 1’800km in 10 Jahren (!) und entschied, zum Glück des aktuellen Besitzers in der Schweiz, es aus einer angeblich riesigen Sammlung von aussergewöhnlichen Fahrzeugen zu entfernen. Und so erschien dieser sehr spezielle 911 Turbo im Showroom der AutoGalerie Bader im Kanton Aargau.
«Der erste Eindruck ist der eines extrem komfortablen Grand Tourer, mit dem man zügig und ohne Stress von A nach B reisen kann und auch wirklich nicht den Eindruck vermittelt bekommt, am Lenkrad eines Supersportwagens zu sitzen. Aber gleichzeitig spricht der Motor eine andere Sprache, die verrät, dass wiederum etwas anders als sonst ist: Nämlich, dass eine enorme Leistung nur darauf wartet, auf Wunsch entfesselt zu werden. Die Beschleunigung auf 150 Stundenkilometer geschieht wie zu erwarten rasch. Aber was sich jenseits der 150 ereignet ist schier unglaublich. Erst, wenn man diese Zone erlebt, wird klar, wie vielseitig dieses Auto ist.»
Fotos:
Andreas Wüest AG / Classic Driver (Schweiz) AG / Kuno Schär